Wim Hof Atmung: Hype oder wissenschaftliche Sensation?

Hast Du schon einmal von der Wim-Hof-Atmung gehört? Die Versprechen einiger Wim-Hof-Enthusiasten klingen verlockend:

  • „Nie wieder krank“
  • „Kein Stress mehr“ oder
  • „viel mehr Gesundheit und Energie“

Aber sind diese Behauptungen wirklich realistisch?
Kann diese Technik tatsächlich Superkräfte in uns wecken?

Ich habe es ausprobiert. An über 1000 Tagen und 500 Stunden.
Und nicht nur das: Ich habe mich schlau gemacht. Bücher dazu gelesen, mich ausbilden lassen und auch wissenschaftliche Quellen studiert. 

In diesem Beitrag berichte ich von meinen Erfahrungen. Ich erkläre die Funktionsweise der Atmung und zeige auch auf, welche kritischen Stimmen es gibt, denn nicht immer sind die Behauptungen wirklich wissenschaftlich belegt.

Meine Geschichte

Meine erste Begegnung mit dieser Methode erfolgte vor etwa 3 Jahren über ein Buch…

In diesem Werk ging es nur beiläufig um einen niederländischen Extremsportler namens Wim Hof: Er hat eine Atemtechnik entwickelt, die leistungssteigernd auf Körper und Geist wirken soll. 
Spannend!  dachte ich. Meine Neugier war geweckt und ich begann zu lernen.   

Buch Mentaltraing für Läufer

… heute praktiziere ich seit mehr als 1000 Tagen nun diese Methode – nahezu jeden Morgen, mit einer Kontinuität von 99 Prozent.

Warum bin ich über 1000 Tage dran geblieben?

Die Antwort ist denkbar einfach: Ich spüre unmittelbar, wie gut es mir tut. Die Effekte sind sofort und äußerst intensiv wahrnehmbar.

Ich praktiziere seit vielen Jahren Meditation und merke, dass sie positive Auswirkungen auf mich hat. Sowohl kurzfristig als auch langfristig bemerke ich Veränderungen. Allerdings ist das Erlebnis bei weitem nicht so deutlich spürbar wie bei der Wim Hof Atmung. Diese Technik führt zu einem Geisteszustand, der der Meditation ähnlich, jedoch tiefer, schneller und gleichzeitig erfrischender ist. 

Nach jeder Session fühle ich mich großartig. Frisch, wach, ruhig und energiegeladen. Zusätzlich erzeugt die Atmung ein angenehmes Hochgefühl. Klingt verrückt? Ja, das mag sein. Aber das sind die Effekte, von denen nahezu jeder berichtet, der die Wim Hof Atemtechnik praktiziert. Viele sagen dazu auch „Meditation auf Steroiden“. Deshalb habe ich es zu einer Gewohnheit gemacht, meinen Tag so zu beginnen. Ich möchte darauf nicht mehr verzichten. 

Auch meine Meditationspraxis hat sich durch die Atmung verbessert. Ich habe festgestellt, dass ich nach der Wim-Hof-Atemtechnik viel schneller und tiefer in meine Meditation eintauchen kann. Es ist, als ob ich bereits mit einer gewissen Ruhe und Tiefe beginne. Der Unterschied ist enorm.

Ebenso nutze ich diese Technik „bei Bedarf“, beispielsweise wenn ich mich überwältigt fühle oder in einer emotionalen Situation feststecke. Dies ist für mich immer wieder ein Zugang zu einem frischen Blick und einer positiven Grundstimmung.

Wie geht’s? Die drei Phasen der Wim Hof Atmung

Ich beschreibe hier die wesentlichen Aspekte, die meiner Meinung nach wichtig sind.  Empfehlenswert ist auch die Wim-Hof-App, mit ihr durch die verschiedenen Phasen der Atmung geführt werdet.  Schaut euch auch unbedingt noch ein, zwei zusätzliche Anleitungen an, gerade in YouTube gibt es gute Quellen (siehe unten). Mir haben die verschiedenen Erklärungen enorm geholfen, um die eingesprochenen Effekte auch wirklich zu spüren. Denn, wenn ihr nichts bemerkt, dann macht ihr etwas falsch.

1️⃣. Phase:  Atmen 🫁

Beim Einatmen ist wichtig die Lunge mit so viel Luft wie möglich zu fluten. Wir brauchen eine wirklich tiefe und Atmung in den Bauch. Genauer gesagt: Durch die Nase, erst in den Bauch, dann in die Brust und dann weiter in die Schultern. Wie eine schöne Welle, die durch unseren Körper geht. Von unten nach oben. Tief bis keine Luft mehr rein geht. Gerade zu Beginn hilft eine liegende Position.
 

Das Ausatmen ist im Gegensatz dazu sehr leicht. Einfach Mund auf und den Druck entweichen lassen. Die Luft nicht rauspressen, sondern einfach passiv gehen lassen was zu viel ist. Der Rest der Luft verbleibt in der Lunge. Es geht nicht darum zu viel auszuatmen, einfach den überschüssigen Druck gehen lassen.

👉 Dieser Vorgang wird 30-40 mal wiederholt

👉 Ohne Pause. Direkt die Atemzüge aneinander reihen
 

👉 Nicht zu schnell, 2-4 Sekunden einatmen sind völlig ok  

 

 2️⃣. Phase: Luft Anhalten🧘‍♂️

Klingt einfach ist für viele aber eine kleine Stressübung. Keine Angst ihr könnt nicht ersticken. Vielleicht wird euch ein wenig schummerig, manchmal kribbeln die Hände. Messt die Zeit, nehmt es sportlich, aber übertreibt es nicht. Es gibt keine Zeit, die man erreichen muss. Ihr werdet mit jeden Mal besser, ihr werdet sehen. 

💡Tipp: Versucht euren Herzschlag zu spüren. 

 

3️⃣. Phase: Tief einatmen 👃

👉 Wenn der Zeitpunkt gekommen ist: Holt wieder ganz tief Luft. Durch die Nase in den Bauch.

👉 Voll einatmen und ca. 15 Sekunden halten.

👉 Genießt den Zustand.

👉 danach direkt weitere mit der ersten Phase. 

 

🔁 Diese Phasen werden typischerweise 3-4 durchgeführt. Dann entfaltet die Übung ihre volle Wirkung. Ihr solltet die positiven Effekte nach 2-3 Sessions deutlich merken, ansonsten macht ihr vermutlich noch irgendetwas falsch.

Sicherheitshinweis:

Die Übung machst Du am besten liegend oder sitzend und in einem geschützten Rahmen. Nicht während des Fahrens und schon gar nicht im Wasser! Denn in seltenen Fällen kann einem auch mal schwindelig werden und in ganzen seltenen Fällen kann man auch kurz das Bewusstsein verlieren. Überhaupt nicht schlimm, alles ganz normal. Natürlich spreche ich hier von „normal gesunden“ Menschen. Alle anderen sollten vielleicht dies im Voraus mit einem Arzt besprechen.

Welche kritischen Stimmen gibt es?

Wichtig anzumerken ist, dass die vollständige Wim Hof Methode nicht ausschließlich auf die Atmung beschränkt ist. Es handelt sich stets um ein Zusammenspiel von Kälte und Atmung. Daher ist es schwierig zu bestimmen, ob allein die Atmung diese Effekte auslöst und in welchem Maße das Kältetraining dazu beiträgt.

Ebenfalls von Bedeutung ist, dass die vollständige Erforschung dieses Gebiets erst seit einigen Jahren im Gange ist. Wir befinden uns noch mitten im Prozess der Erkenntnisgewinnung. Einige Aspekte sind bereits gut belegt, während andere noch erforscht werden. Wim Hof und seine Anhänger interpretieren einige der frühen Erkenntnisse bereits als ultimativen Beweis. Doch aus einer rein wissenschaftlichen Perspektive und bei genauer Betrachtung der Studien sieht die Situation oft anders aus. Auf der Website zur Wim Hof Methode gibt es eine ausgiebige Sammlung zu den positiven Effekten. Alle Aussagen sollten mit Vorsicht betrachtet werden.  Ein konkretes Beispiel hierfür:

🦠 Die Endotoxin-Studie:

Auf der Website von Wim Hof findet sich ein Video zu einer äußerst bekannten Studie, der Endotoxin-Studie. Sowohl Wim Hof als auch die Forschungsgruppe bezeichnen die Erkenntnisse als bahnbrechend. Zusammengefasst wird behauptet:

Wenn man einer bestimmten Art von toten Bakterien Menschen injiziert, werden sie für ca. 24 Stunden krank. Das Immunsystem reagiert auf die „Angreifer“, und es zeigen sich Anzeichen dieser Reaktion in Form von Übelkeit, Erbrechen, Fieber etc. Diese Reaktion ist in der Wissenschaft wohl bekannt und wurde schon tausende Male beobachtet. Sehr zuverlässig. Nichts Neues.

Neu ist, dass Wim Hof behauptet, sein Immunsystem steuern zu können und so nicht krank wird. Das kann er, weil er in körpereigene Mechanismen eingreifen kann, die eigentlich außerhalb unserer bewussten Kontrolle liegen. Genau das wurde untersucht. Auch ihm wurden diese Endotoxine verabreicht. Und er wurde tatsächlich nicht krank. Keine Symptome, nichts. Er hat einfach alles weggeatmet, als er die Spritze bekam.

Als erste Erklärung lag es nahe, die Ursache bei ihm zu suchen. Vielleicht hat er eine genetische Besonderheit oder Ähnliches? Wim Hof behauptet immer, er sei nichts Besonderes. Seiner Meinung nach liegt die Ursache dafür in seiner Technik. Aber auch das wurde geprüft, und zwar durch eine Kontrollgruppe. Und genau das ist die Endotoxin-Studie. Wim Hof trainierte eine Handvoll Menschen. Diese wurden dann zusammen mit einer unausgebildeten Kontrollgruppe mit dem Endotoxin konfrontiert. Die Ergebnisse sind vielversprechend, denn es kam, wie es Wim Hof vorhergesagt hatte: Keiner der von ihm trainierten Menschen wurde krank. Die anderen schon.

Das klingt schon ziemlich verrückt, oder? Doch es gibt immer zwei Seiten der Geschichte. Viele Menschen werten diese Studie als Beweis für die These, dass wir viel tiefer in unsere automatischen Körperabläufe eingreifen können, als wir bisher gedacht haben. Und weiter gesponnen könnte das auch bedeuten, dass Autoimmunkrankheiten der Vergangenheit angehören könnten. Und überhaupt kann das Thema Krankheit neu gedacht werden…

Andere Experten sehen jedoch noch keinen überzeugenden Beweis darin und äußern an einigen Stellen Kritik an dieser Studie. Die Vorwürfe: Keine saubere Durchführung der Studie, nicht genug Teilnehmer. Und auch sie haben recht. Nicht nur bei dieser einen Studie. Es gibt zwar zahlreiche „Nachweise“ auf der Website von Wim Hof, aber dieser wissenschaftliche Anstrich hält nicht immer stand.

Wer hier an einer Zusammenfassung und einer fundierten Einschätzung interessiert ist, dem kann ich einen Podcast empfehlen. Ein absoluter Hörtipp, denn dies ist einer der wenigen, die das Thema wirklich wissenschaftlich und kritisch untersucht.  ➡️ ARD-Produktion“Quarks Science Cops.

Was ich aber schon verraten kann: Einiges ist bereits klar, manches ist teilweise verstanden, aber vieles steht noch als Hypothese im Raum und ist noch nicht bewiesen. An vielen Stellen scheint jedoch etwas dran zu sein. Es gibt eine Substanz in dieser Methode, was die Wissenschaft neugierig bleiben lässt

Zusammengefasst

Es fällt mir schwer, ein eindeutiges Fazit zu den verschiedenen Perspektiven zu formulieren. Ich schätze Menschen wie Wim Hof, die mutig zu ihren Ideen stehen. Mithilfe seiner Technik hat er beeindruckende Rekorde erzielt und die Grenzen der Wissenschaft verschoben. Die Erfahrungsberichte vieler Menschen unterstützen ebenfalls die positiven Aspekte dieser Methode. Einige Anhänger überspannen jedoch den Bogen mit Aussagen wie „Nie wieder krank“, was die Ernsthaftigkeit der Methode in Frage stellt. Aus diesem Grund finde ich es sehr positiv, dass dieses Thema aktiv erforscht wird und Wim Hof selbst auch an wissenschaftlichen Erkenntnissen interessiert ist.

Insgesamt sehe ich die Wim Hof Atmung und ihre Entwicklung ähnlich wie das Thema Meditation. Über viele Jahrtausende haben Menschen meditiert und die positiven Effekte erkannt. Die westliche Wissenschaft hat das Thema lange Zeit ignoriert und belächelt, bevor sie es erst vor einigen Jahrzehnten zu erforschen begann. Heute sind die positiven Wirkungen der Meditation wissenschaftlich belegt. Dies erinnert an die skeptische Haltung, die oft mit der wissenschaftlichen Denkweise einhergeht: Etwas wird oft als nicht existent betrachtet, bis überprüfbare Beweise für seine Existenz vorliegen. Daher schätze ich kritische Ansichten wie den von mir empfohlenen Podcast.

Dennoch hindert mich diese Perspektive nicht daran, selbst Erfahrungen zu sammeln, insbesondere wenn ich spüre, wie gut sie mir tut.

 

Mit lieben Grüßen 
Sven Wurth

 

 

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